Die andere Perspektive – Interview mit Lukas Steimer (Grossratswahlen 2021)

Lukas Steimer (zvg)

Hallo Lukas, aufgrund von Corona führen wir dieses Interview schriftlich per Mail. Wie geht es dir in der aktuellen Lage?

Wie so viele bin ich besorgt. Und die Sorgen sind vielfältig, sei es Gesundheit, die Wirtschaft, die Spaltung der Gesellschaft etc.

Nach deinem Ausflug in die Politik anlässlich der Gemeinderatswahlen 2020 hast du dich entschlossen, bei den Grossratswahlen als Unabhängiger auf dere Liste 1 der SP-Grünen-Unabhängigen zu kandidieren. Was ist deine Motivation für eine erneute Kandidatur?

Ich möchte gerne, dass die Selbstständigen und Kleinstunternehmen auf den linken Listen vermehrt vertreten sind. Es zeigte sich, dass gerade die Anliegen der von den Pandemiemassnahmen betroffenen Kleinstbetrieben, Künstlern und Kulturschaffenden von den bürgerlichen Parteien schlecht vertreten werden. Ich möchte die Stimme derer sein, die aktuell durch alle Raster fallen.

Was für Knowhow könntest du in den Kantonsrat einbringen? Wo siehst du deine Stärken?

Ich denke, dass ich auf viele Themen eine breitere Sicht habe. Zum einen da ich selber aus einfachen Verhältnissen stamme. Zum anderen da ich selber seit 16 Jahren ein Kleinunternehmen führe – mit allem was dazugehört. So kann ich vermutlich eher die Ängste und Sorgen der Menschen verstehen als andere, die diese existenziellen Probleme nie durchleben mussten. Zumal es natürlich auch für meine Glaubwürdigkeit spricht, wenn ich mich – trotz meines Unternehmertums – für die Umwelt und soziale Anliegen engagiere. Da ich als Unabhängiger/Parteiloser kandidiere, kann ich ganz unbefangen auch abseits von bestimmten Parteiinteressen agieren, sollte dies nötig sein. Dabei sehe ich mich nicht als Konkurrenz zu den linken Parteien sondern eher als Ergänzung: Als jemand, der einen anderen Blickwinkel mitbringt.

Im vergangenen Jahr – und wohl auch in diesem Jahr – wird Corona ein Thema sein, welches die Bevölkerung beschäftigt. Du setzt dich, u. a. auf Facebook in der Gruppe «Laden zu – was nun?» für eine faire Aufteilung der Mietzinskosten ein. Was ist, neben der Miete, der grösste Sorgenpunkt in dieser Zeit? Was sollte die Politik hier unternehmen?

Die Sorgen der betroffenen Selbstständigen sind vor allem existenzieller Natur. Finanziell ist die Laden- oder Restaurantmiete neben den Personalkosten die grösste Position in der Bilanz. Für letzteres gibt es die Kurzarbeit. Für ersteres gibt es aktuell nur Lösungen auf freiwilliger Basis. Wer nicht auf den Goodwill seines Vermieters zählen kann, zahlt oft weiterhin die volle Miete für eine Verkaufsfläche, auf der er nichts erwirtschaften kann. Eine Umfrage in der genannten Gruppe hat gezeigt, dass eine Grosszahl der Betroffenen vom Vermieter kein Entgegenkommen erwarten kann. Es gibt interessante Lösungsansätze, z.B. in den die Kantonen BL und BS, wo sich Vermieter, Mieter und Kanton den Schaden jeweils zu einen Drittel teilen. Überall wo es keine Lösung oder Einigung gibt, wird nach wie vor der Grossteil der KMU-Kredite oder anderer Hilfezahlungen von den Mieten verschlungen. Das ist unsolidarisch und unfair – schliesslich tragen weder Mieter noch Vermieter Schuld an der Pandemie. Weshalb sollte also nicht der Schaden geteilt werden? 

Es scheint, als wäre es manchmal nicht ganz klar, welche Strategie die Behörden bei der Bekämpfung der Pandemie verfolgen. Wie siehst du das?

Vieles erscheint einem willkürlich und schlecht geplant. Obwohl man nicht vergessen darf, dass für das Handling einer Pandemie wenige bis keine Erfahrungswerte bestehen, sorgt dies für Unmut bei der Bevölkerung. Aktuell bleibt uns nichts anderes als zu vertrauen und zu kooperieren, in der Hoffnung, dass das ganze schneller vorbei geht.

Was hat dich in dieser Pandemie positiv überrascht? Was negativ?

Positiv hat mich der Zusammenhalt unter der Bevölkerung überrascht. Der Grossteil der Bevölkerung verhält sich solidarisch, selbst wenn sich um Sinn und Unsinn gewisser Strategien streiten lässt. Negativ hat mich überrascht, dass es in einem reichen Land immer noch Selbstständige mit wenig oder keinem Umsatz gibt, die durch alle Raster fallen und noch keinen Franken an Hilfsgeldern erhalten haben. Die Anforderungen für À-fonds-perdu-Zahlungen sind teilweise sehr hoch. Sich zu verschulden oder aufzugeben ist für viele leider die einzige Möglichkeit.

Was sind aus deiner Sicht, nebst Corona, die grössten Herausforderungen in den nächsten Jahren?

Corona ist ein riesen Moloch – die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen werden uns noch Jahrzehnte beschäftigen. Abgesehen davon wird uns wohl der Klimawandel mit all seinen Folgen am meisten beschäftigen.

Blicken wir zurück auf deine Kandidatur für den Gemeinderat. Hast du im Nachhinein Rückmeldungen aus der Bevölkerung erhalten? Wie wurde dein Engagement aufgenommen?

Wo ich die Chance zu einem Gespräch hatte, und nicht gleich wegen der Listenzugehörigkeit abgestempelt wurde, erhielt ich fast ausschliesslich positives Feedback. Ich finde es war ein grosser Vertrauensbeweis, dass mich Leute auf den Listen anderer Parteien dazugeschrieben haben. Im Endeffekt war das Resultat dann zwar etwas enttäuschend – aber es war schliesslich auch mein erster Versuch. Und Naters gilt ja als hartes Pflaster (lacht). Vor allem wenn man nicht einer Mehrheitspartei angehört oder keinen grossen verwurzelten Familienclan hier hat.

Zum Schluss: Wenn du mit zwei (historischen, fiktionalen, lebenden oder verstorbenen) Menschen auf einer einsamen Insel stranden möchtest. Mit welchen wäre das und warum?

Meine Freundin, weil Sie mich stets in allem unterstützt, und natürlich Dich lieber Abi ;-)

Zur Person

Lukas Steimer ist 39 Jahre alt und wohnt seit 35 Jahren in Naters. Er betreibt in Gamsen eine Firma welche gebrauchter Hardware zu einem zweiten Leben verhilft. Daneben interessiert er sich für Retro Games & Computer, alte Flipperautomaten und Elektromobilität.