Das Boot ist voll. Mal wieder. Einige Gedanken zu «Ecopop»

Am 30. November 2014 stimmen wir über die «Ecopop»-Initiative ab. Keine Abstimmung hat wohl so hohe Wellen im Vorfeld geschlagen wie diese, ausgenommen die «Masseneinwanderungsinitiative» der «SVP» (die m. E. von den anderen Parteien zu Unrecht vollkommen unterschätzt wurde).

In wenigen Worten zusammengefasst möchte «Ecopop» folgendes: Die «Nettozuwanderung» (Einwanderung minus Auswanderung) soll jährlich nur noch 0.2 % (oder 16'000 Personen) betragen. Gleichzeitig soll das Budget der Familienplanung massiv aufgestockt werden (damit Menschen in Drittweltländer «weniger» Kinder bekommen).

Die Initianten, die auch schon mal ungestraft als «Birkenstockrassisten» bezeichnet werden dürfen packen das ganze in ein ökologisches Gewand und haben damit scheinbar Erfolg. Schon 2009 hat das Bastian Girod, Nationalrat der Grünen, versucht und ist damit aufgelaufen. Inzwischen hat er, das muss man Girod zugestehen, seine Haltung überdacht (http://www.srf.ch/news/schweiz/girod-will-die-gruenen-fuer-ein-nein-zu-ecopop-ueberzeugen).

Die ganze Thematik hat natürlich seinen Reiz: Wer möchte schon nicht – auf Kosten anderer – die Umwelt retten? Damit löst man das Problem nicht sondern betreibt, wie die «SVP» das schon seit Jahren erfolgreich tut: Reine Symptombekämpfung auf dem Buckel derer, die es ohnehin schon nicht so leicht haben.

Und reden wir nun einmal Klartext: Die Initiative (und eigentlich alles, was aus dieser Ecke kommt) sagt doch letztlich folgendes: Sorry, du kommst hier nicht rein. Du hast einfach Pech im falschen Land zur falschen Zeit geboren worden zu sein. Und nein, komm’ ja nicht hier her und versuche dein Glück. Das Boot ist voll!

Diese Sicht kann man gut oder schlecht finden. Nur, wer diese Sicht teilt, muss sich dann auch den Vorwurf des Rassismus gefallen lassen. Denn, nichts anderes stellt «Ecopop» dar. Puren Rassismus. Getarnt als Allheilmittel für die Lösung globaler Fragen wird das ganze nicht weniger widerlich.

#ichdiemehrheit zum 2.

Glücklicherweise stehe ich mit meiner Kritik an #ichdiemehrheit nicht alleine da. Die äusserst kompetente und schlagfertige Bettina hat darüber ebenfalls gebloggt und in einem zweiten Beitrag gleich nachgelegt.
Seit meinem gestrigen Beitrag ist einige Zeit vergangen, er wurde viel angeklickt und in den sozialen Medien weitergereicht. Kommentiert wurde er bislang nur auf Twitter. Dies kann einerseits auf eine gewisse Qualität hindeuten (was mich sehr erfreut… :) ) oder auf eine gewisse Langeweile (was mich natürlich weniger erfreut… :) ). Aber nichtsdestotrotz habe ich entschieden, es Bettina gleich zu tun und einen weiteren Artikel zu schreiben…

Im letzten Artikel habe ich dargelegt, warum ich das Experiment als gescheitert betrachte. Im nun folgenden Artikel sehe ich mir einmal die «Abstimmungen» näher an…

In der Abstimmung (alle Abstimmungen finden sich hier) vom 03.05.2014 ging es um eine ethisch-emotional heikle Frage: Soll jeder Bürger automatisch Organspender sein, ausser er lehnt dies ausdrücklich ab?

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Eine sehr interessante und sehr heikle Frage. Zu dieser Frage schreibt «Pony M» aka Yonni Meyer folgendes Fazit:

«Heute war ein thematisch unglaublich spannender Tag, mit sehr interessanten Diskussionen.
Die Mehrheit von Euch ist für die Widerspruchslösung, welche alle Bürger automatisch zu Organspendern macht. Und doch hatte sie vor dem Ständerat im letzten Winter keine Chance. Es lässt sich vermuten, dass dieses hoch emotionale Thema bald wieder angegangen wird.»

Weder auf ihrer «Facebook»-Seite noch auf der Seite von «SRF Kultur» habe ich irgendeine Diskussion gefunden. Dafür, dass es um Demokratie geht, dafür dass es um die Politikverdrossenheit der «Jungen» geht, ist das Fazit doch erstaunlich dünn (wie soll man so wirklich Diskussionen anregen und Leute zum abstimmen animieren?) und eigentlich nicht viel mehr als eine nicht-repräsentative Binsenweisheit.

Aber auch Tag 6 (02. Mai 2014) hatte es in sich: Wirklich wichtige Fragen mussten entschieden werden und da «Pony M» offenbar sehr unentschlossen war, musste wieder einmal die «Mehrheit» für sie entscheiden. In früheren Zeiten hätte man sich gegen eine solche Bevormundung gewehrt. Heute kommt man damit also schon in die nationalen gebührenfinanzierten Medien…

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Die Frage von Tag 5 (01. Mai 2014) finde ich sehr interessant.

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Denn gerade diese Frage (und deren Resultat) zeigen, dass es nicht funktionieren _kann_. Wie bereits im vorherigen Artikel erwähnt, kann man bei #ichdiemehrheit mehrfach abstimmen. Wie sollen denn nun «Online-Abstimmungen» funktionieren, wenn bereits diese Abstimmungen hier nicht sauber verlaufen können?

Gefühlte 90 % der Fragen haben mit Demokratie nichts zu tun. Sie betreffen «Pony M» persönlich und können demzufolge auch nicht von der «Mehrheit» gelöst werden.

Persönliches Fazit

Ich ziehe hier nun «mein» persönliches Fazit: Das Format dient, dies hat bereits Bettina in ihrem glänzenden Artikel erkannt, dem Aufbau einer Marke, nämlich «Pony M». Das ist zumindest aus zwei Gründen unseriös:

  1. Nach welchen Kriterien wurde «Pony M» ausgewählt? (Inwiefern ist sie «repräsentativ» für die «Jugend»?)
  2. «Pony M» profitiert als einzige Persona von dieser Aktion. Sie kann ihren Bekanntheitsgrad steigern (was sich früher oder später in bare Münze umwandelt) – ist es tatsächlich die Aufgabe eines gebührenfinanzierten Senders einen «C-Promi» derart zu pushen?

Das Signal, das mit diesem Format ausgesendet wird, ist verheerend. Es lässt die Demokratie, für die andere Menschen täglich ihr Leben riskieren müssen, für die unsere Vorfahren ihr Leben kämpfen mussten, zu einer dumpfen «Voting»-Maschinerie verkommen. Schade.

Gedanken zur Mehrheit…

Eigentlich wollte ich meinen ersten Mai-Beitrag nicht über Ponys schreiben, die sich fremdbestimmen lassen. Eigentlich sollte auch nicht ein Bundesrat mit antiquierten Ansichten zum Thema werden. Und eigentlich wollte ich doch mal was ganz unpolitisch-unverfängliches schreiben. Eigentlich… Und ich weiss nicht einmal, welches dieser beiden Themen mich zurzeit mehr aufregt…
Gedanken zur Mehrheit… weiterlesen

«Verbitterung ist wie Gift trinken und erwarten, dass dein Feind davon stirbt.»

Gedanken zum Tode Nelson Mandelas

Normalerweise interessiere ich mich nicht für Berühmtheiten. Normalerweise ist es mir «egal», wenn sie sterben. Das tun schliesslich jeden Tag Menschen und natürlich ist es eine Tragödie. Aber eben nicht meine. Normalerweise.

Nelson Mandela ist mir nicht egal. Er war es nie. Wird es auch nie sein. Er ist das, was ich als «Menschen» bezeichnen würde. Jemand, der dem am nächsten kommt, was man in unserer «westlich zivilisierten» Welt einen «Christen» nennt. (Wobei ich ja glaube, dass er sogar über «Christen» steht, denn schliesslich kennen die ja sogar das «Aug-Um-Aug»-Prinzip was ja nun nicht wirklich etwas mit Versöhnung zu tun hat…)

Nelson Mandela, der grosse weise Mann, nicht mehr. Die Nachricht las ich heute Morgen früh und sie hat mich geschockt. Schon als ich vor einigen Monaten hörte, dass er gesundheitlich angeschlagen ist, hat mich das unendlich traurig gemacht. Ich kannte Nelson Mandela nicht. Ich habe sein Wirken aus einer «sicheren» Distanz verfolgt. Berührt hat es mich trotzdem.

Vielleicht, weil er sich für die gleichen Ideale eingesetzt hat, die auch mir am Herzen liegen. Vielleicht weil er es – im Gegensatz leider zu mir – geschafft hat, seinen «Feinden» zu vergeben, sich mit ihnen zu versöhnen. Vielleicht weil ihm soviel Unrecht widerfahren ist. Weil ihm fast dreissig Jahre seines Lebens geraubt wurden.

Was Nelson Mandela in meinen Augen zu einem ganz grossen Menschen machte war, dass er es geschafft hat, seinen Peinigern zu vergeben, sich mit ihnen zu versöhnen. Mandela hat wie wohl kein anderer Freiheitskämpfer vor oder nach ihm erkannt, dass Versöhnung etwas vom wichtigsten überhaupt ist. Es braucht viel, um Menschen zu vergeben, die Menschen anders behandeln, weil sie eine andere Hautfarbe haben, die sich für besser halten, weil sie weiss sind, die getrennte Bürgersteige fordern. Die Menschen mit einer dunklen Hautfarbe als Menschen zweiter Klasse sehen. Nelson Mandela hat das geschafft und damit Südafrika vor einer Katastrophe bewahrt.

Ich bin überzeugt, würden wir uns alle ein bisschen mehr an ihn halten, die Welt wäre eine bessere, in der es sich wirklich lohnt zu leben. Wir sollten endlich lernen, was Versöhnung wirklich bedeutet. Es ist nicht nur das Vergeben einer Schuld eines anderen. Sondern auch das «mit-sich-im-Reinen-sein». Wir hätten es wirklich nötig…

Mögest du deine Ruhe finden, Nelson Mandela. Du hast die Welt zu einer besseren gemacht.

Lesenswerte Artikel zu Nelson Mandela werde ich hier laufend posten:

Sexismus und Rassismus

Endlich hat «Social Media» eine ernsthafte Daseinsberechtigung gefunden: Die #Aufschrei-Debatte zeigt sehr gut, wie man mit sozialen Netzwerken Menschen erreichen und – was noch wichtiger ist – den Betroffenen eine Stimme geben kann. Endlich geht es nicht um das Sammeln von «Likes» für bestimmte Zwecke. Nein, ich halte das nicht für schlimm, aber der #Aufschrei bewegt sich doch – zum Glück – in anderen Sphären.

Als Mensch, der zeit seines Lebens mit Rassismus konfrontiert wurde und wird, wünsche ich mir, dass diese Debatte ein Umdenken auslöst. Klar, in der aktuellen Debatte geht es nicht um Rassismus. Oder etwa doch? Nein, Frauen sind natürlich keine Rasse und Rassen sowie deren Einteilung sind ohnehin doof… Und Männer betrachten Frauen hoffentlich nicht als Rasse…

Aber Sexismus hat oft auch mit Rassismus zu tun. Ein Artikel der «Welt Online» vom 09. November 2011 bringt es so auf den Punkt:

«Der Sexismus ist mit einer Neigung zur sozialen Dominanz und mit Autoritarismus verbunden. Das heißt, dass sexistische Menschen Hierarchien und soziale Ungleichheiten akzeptieren. Sie glauben, dass die verschiedenen Gruppen den Status haben, den sie verdienen, und das die Klasse, zu der sie gehören, die Beste ist.»

Für mich bedeutet das, dass man sich am liebsten nur mit Menschen aus der eigenen Gruppe und/oder aus einer «hierarchisch tieferen» Gruppe zusammentun sollte. Eine sehr bedenkliche Tendenz. [Persönliche Erfahrung: «Mit dir wäre ich gerne zusammen, aber deine Hautfarbe ist ein Problem…»]

An der ganzen Sache sind die Medien ja nicht ganz unschuldig: Sendungen wie «Auf Brautschau im Ausland» wollen uns folgendes zeigen: Die «armen» Männer bekommen hier keine Frauen und «müssen» sich im Ausland ein «Dummchen» anlachen. Sendungen dieses Kalibers gibt es zur Genüge. Die Kultur der Einheimischen wird auf die Schippe genommen und – immer unter dem Aspekt der «westlich zivilisierten» Welt kritisiert. Sodass der «08/15»-Zuschauer am Ende denken muss dass diese Männer den Frauen ja noch einen Gefallen tun, sie aus dieser armen Welt zu «retten». Der Völkerverständigung und der Verständigung zwischen Mann und Frau dienen solche Formate nicht.

Natürlich: Die Protagonisten werden in der Show selber gnadenlos vorgeführt und realisieren – falls überhaupt – erst viel später, was mit ihnen geschehen ist. Ihnen kann man insofern einen Vorwurf machen, als das sie hätten wissen müssen, was auf sie zukommt. Aber zugleich sind sie eben auch Opfer einer Unterhaltungsindustrie, die das Vorführen von Menschen als Unterhaltung propagiert.

Was ich mir in der aktuellen Debatte wünschen würde: Dass die Medien insbesondere auch TV-Sender, ihre Verantwortung wahrnehmen und ihre Sendungen einmal auf den Prüfstand stellen. Es kommt nämlich nicht von ungefähr, dass einige Zeitgenossen so ein krudes Frauenbild haben…