Am vergangenen Dienstag, dem 06. November 2012, wurde in den USA ein neuer Präsident gewählt. Wie sich am Mittwochmorgen dann herausstellte war der «neue» Präsident der «Alte». Barack Obama. Der erste afroamerikanische Präsident der USA.

Eigentlich wollte ich die Wahlen auf «CNN» live mitverfolgen. Eigentlich. Denn, wie es der Zufall wollte, stiess ich beim Zappen auf eine interessante Dokumentation über den amerikanischen Sänger und Menschenrechtsaktivisten Harry Belafonte: «Sing Your Song».

Eine berührende, sehr intime Dokumentation über den heute 85jährigen Schauspieler, der manchmal auch singt und seinen ewig dauernden Kampf für eine bessere Welt. Die «zeit.de» schrieb über den Film:

Sing your song ist ein Stück weit Selbstdefinition und Lebensbetrachtung Belafontes, den es nach eigenen Angaben immer wieder dahin zieht, "wo die Menschen um Gerechtigkeit kämpfen". Aber er ist auch ein glaubwürdiges und authentisches Plädoyer für gegenseitiges Verständnis und mehr Menschlichkeit in der Welt. (Quelle: www.zeit.de)

Die Dokumentation zog mich in ihren Bann und ich vergass die Präsidentenwahl vollends.

Am anderen Tag habe ich mich in das Leben von Harry Belafonte eingelesen und fand ein 99-Fragen-Interview, ebenfalls auf «zeit.de», in dem ich folgende Frage faszinierend fand:

Haben Schwarze besseren Sex als Weiße?
Da ich niemals Sex in Gestalt eines weißen Mannes hatte, kann ich diese Frage schwerlich beurteilen. Aber, lassen Sie mich bei Ihrer Frage, die Sie in einer frivolen und saloppen Art und Weise formulieren, doch noch einen Moment lang bleiben und sie ernst nehmen. Wenn Sie fragen, ob es beim schwarzen Mann ein Gefühl der sexuellen Überlegenheit und, wichtiger, beim weißen Mann ein Gefühl der sexuellen Unterlegenheit gibt, dann antworte ich: Dieser Punkt ist der alles entscheidende für die Analyse der fortdauernden Präsenz von Rassismus auf der ganzen Welt. Nicht nur in der Hinsicht, in der Sigmund Freud Sexualität als Triebfeder aller menschlichen Energien und Ängste gedeutet hat; sondern im konkreten sozialen Sinn. Die große Angst des weißen Mannes liegt in seiner sexuellen Unterlegenheit gegenüber dem schwarzen Mann. Diese Angst scheint unausrottbar. Sie besteht in der Annahme, dass der schwarze Mann die weiße Frau verführen oder vergewaltigen möchte, und sie liefert, in der Folge, die Begründung und Triebfeder dafür, dass der schwarze Mann kastriert und gelyncht werden darf und muss. Wie war es früher? Du durftest eine weiße Frau nicht einmal angucken, ohne gelyncht zu werden. (Quelle: www.zeit.de)

Wer sich über Harry Belafonte informiert, stolpert zweifelsohne auch über eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren Geschichte Amerikas: Diskriminierung von Farbigen und «Rassenunruhen». Die Antwort, die Belafonte auf diese Frage gibt, mag auf den ersten Blick unverständlich erscheinen, wenn man sich aber mit der damaligen Zeit beschäftigt, insbesondere mit dem berühmt-berüchtigten «Ku-Klux-Klan», dann wird schlagartig bewusst, dass die Menschen früher tatsächlich so dachten. Und auch heutzutage ist das Klischee noch weitverbreitet, dass «Schwarze» übermenschlich grosse Genitalien hätten und jede (vorwiegend «weisse») Frau damit förmlich aufspiessen könnten. Die Porno-Industrie lässt dieses Vorurteil immer noch aufleben…

Ich werde nie verstehen wie man Menschen nach ihrem Äusseren beurteilen und klassifizieren kann. In «Reinrassige» oder «Mischlinge» oder gar «Bastarde». Und ich werde nie verstehen, wie man vom Äusseren eines Menschen bestimmte (Menschen-)Rechte ableiten kann bzw. diese vorenthalten kann. Im Übrigen kann ich auch diejenigen nicht verstehen, die ständig davon reden, dass die «Weissen» privilegiert sind. Rassismus wird nicht automatisch zur Gesellschaftskritik, wenn er sich gegen eine Mehrheit richtet…

Jeder Mensch ist gleich, egal welcher Hautfarbe, Nationalität, Geschlecht, Religion, politischer Einstellung er angehört. Ich weiss, dies mag für einige Zeitgenossen schwierig zu verkraften sein, vor allem dann, wenn sie denken, sie wären erhabener.

Es macht mich wütend zu sehen, dass es immer noch Rassismus gibt. Es macht mich wütend zu sehen, dass man dagegen nicht vorgehen kann. Denn – und das ist die Krux einer Demokratie – man muss auch solche «Meinungen» aushalten können.

Die Ironie wollte es, dass an diesem Wahlabend wieder ein «Farbiger» zum Präsidenten gewählt wurde trotz des latent vorhandenen Rassismus in der Gesellschaft. Denn, wie sonst könnte man sich wohl den folgenden «Tweet» eines «Romney»-Kampagnenleiters (http://www.mediaite.com/online/author-of-romney-campaign-blog-post-warns-white-women-against-voting-for-obama/) erklären:

Ich habe in meinem Leben viel erlebt. Zuviel. Ich habe erlebt wie es ist, wenn man nur nach dem Äusseren beurteilt wird. Wenn man sich jeden Tag erneut beweisen muss. Wenn man jeden Tag zeigen muss, dass man auch als «Farbiger» eine Daseinsberechtigung hat. Ich bin wütend. Aber ich hasse nicht. Nicht mehr. Ich kann nicht mehr.

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  1. […] einen Blogpost von Philippe Wampfler will ich heute mal von meiner «Liebe zur Schweiz» schreiben. Nach meinen letzten Beiträgen, alle rund um das Thema «Rassismus» und meine Kindheitserlebnisse, […]

  2. […] Posts zum Thema «Rassismus» habe ich mich dazu geäussert was mich wütend macht. Und was ich hasse. Da ich nun gefragt wurde, wie ich denn mit «Andersdenkenden» – in diesem Falle wohl […]

  3. […] m. bossottoMenü VitaLinksArchiveKontakt Wut 10. November 20120 Kommentare In meinem letzten Artikel ging es um das Thema «Rassismus». Ein Thema, das mich seit ich denken kann begleitet hat. Wenn […]

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